Anekdoten über Miles Davis gehen immer, vor allem, wenn Gary Peacock sie mit dieser rauen, gepressten Miles-Stimme erzählt. Der Kontrabassist hat eine Menge davon auf Lager, im Lauf seiner 83 Lebensjahre hat er mit vielen Größen gespielt, darunter eben auch Miles Davis.
Jetzt sitzt Peacock im Raum 129 des Instituts für Musik (IfM) und hört, was die Studierenden des IfM ihm vorspielen. Für diesen Workshop sind die Nachwuchsmusikerinnen und -musiker sogar am Samstag ins Institut gekommen; klar, wann hat man schon die Gelegenheit, Tipps von einer Legende zu erhalten, die mit Miles Davis gespielt hat, mit Bill Evans und, natürlich, ab Mitte der 80er-Jahre, im Trio von Keith Jarrett.
Die Art, wie er den Bass mit knackiger Stimme singen lässt hat sich perfekt mit Jarrett und mit Schlagzeuger Jack DeJohnette ergänzt; diese Kombination hat ihn berühmt gemacht. Das findet seinen Niederschlag beim Konzert am Sonntagabend im Blue Note: Das Lokal ist nahezu ausverkauft beim Konzert, das Peacock mit dem Hamburger Schlagzeuger Björn Lücker und dem Osnabrücker Pianisten Florian Weber spielt.
Es ist diese Kooperation zwischen Jazzclub und Hochschule, die Workshop und Konzert möglich macht: Man teilt sich die Kosten und profitiert beiderseits. Zunächst sind die Studierenden am Zug – allerdings vertritt Peacock eine recht unakademische Haltung. Zwar erkennt er an, wie gut die Jazzhochschulen den Nachwuchs ausbilden. Aber er zeigt auch die engen Grenzen des Jazzstudiums auf. „Ihr lernt die Technik, ihr lernt die Stücke und ihre Akkordfolgen“, sagt Peacock, aber um Musik zu machen, „müsst er das alles wieder vergessen.“ Hören sollen die Studenten: „Es geht um die Musik – um nichts anderes“.
Was das bedeutet, erlebt das Publikum dann im Blue Note: Da umfängt Peacock seine Zuhörer mit dem ihm eigenen, scharf umrissenen Ton. Klar lassen ihm seine beiden Mitmusiker den Vortritt, und er schreitet auch selbstbewusst voraus. Präsent ist er; mit seinen 83 Jahren zeigt er keine Spur von Altersmüdigkeit, sondern hat sich seine Neugierde bewahrt und seine Freude an der Musik. Vor allem mit Florian Weber korrespondiert Peacock wunderbar: Wenn der Pianisten und Leiter der Jazzabteilung am IfM seine kleinen Motivzellen rotieren lässt oder sich in seine virtuosen Exkurse stürzt, zaubert das regelmäßig ein breites Lächeln in Peacocks Gesicht. Man sieht: Der Mann kann zuhören.
Das wird allerdings für alle drei zur Grundvoraussetzung. Denn der gemeinsame Nenner des Abends errechnet sich aus Interaktion und Spontaneität. Standards spielt das Trio nur ein paar, unter anderem „Gloria"s Step“ vom legendären Bassisten Scott LaFaro. Im Wesentlichen loten sie mit Eigenkompositionen von Peacock und Lücker aus, was Klavier, Bass und Schlagzeug im Jazz so alles ausrichten können. Das hat Ecken und Kanten und auch ein paar kleine Macken – aber gerade das macht die Musik so lebendig.
Source: https://www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikel/1595951/workshop-und-konzert-mit-jazzlegende-gary-peacock
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